Phänomenologie der digitalen Welt

Sommerschule der Deutschen Gesellschaft für phänomenologische Forschung

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208854

Medienwissenschaft der Literatur

Literaturwissenschaft der Medien

Stefan Rieger

pp. 402-412

Abstrakt

Ein Gespenst geistert seit geraumer Zeit durch Presse und Medien, gegen das jenes Gespenst auf der Videocouch wie ein Ausbund an Natürlichkeit wirkt. Sind es bei ihm die eigenen Beine, die auf dem Couchtisch liegen, eigene Finger, die durch die Kanäle zappen und ist es sein eigener Mund, der Kartoffelchips kaut, scheint das neue Gespenst von einem solchen Naturkörper weiter denn je entfernt zu sein: in der virtuellen Realität des Cyberspace feiert stattdessen eine Körperlichkeit ganz anderer Art Triumphe. Nachdem in der Mediengeschichte Ohren und Augen autonom werden konnten und die jeweiligen Techniken der akustischen (Phonographie, Grammophon, Tonband) und der optischen Aufzeichnung (Photographie, Kinematographie, Stummfilm) im Tonfilm gekoppelt sind, integriert Cyberspace einen dritten Sinn des menschlichen Wahrnehmungsapparats: den Tastsinn. Im Namen jener Kopplungen von Auge, Ohr und Tastsinn, die am Computer zu einer neuen Kinästhesie auf universal digitaler Basis zusammengeschlossen werden (vgl. Kittler 1986), geht eine neue Generation von Gespenstern in Serie, die in der kulturellen Verfallssemantik selbst noch passiven Fernseh- und Videokonsumenten den Rang ablaufen.

Publication details

Published in:

Pechlivanos Miltos, Rieger Stefan, Struck Wolfgang, Weitz Michael (1995) Einführung in die Literaturwissenschaft. Stuttgart, Metzler.

Seiten: 402-412

DOI: 10.1007/978-3-476-03544-8_36

Referenz:

Rieger Stefan (1995) „Medienwissenschaft der Literatur: Literaturwissenschaft der Medien“, In: M. Pechlivanos, S. Rieger, W. Struck & M. Weitz (Hrsg.), Einführung in die Literaturwissenschaft, Stuttgart, Metzler, 402–412.